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Rheingau Musik Festival: Rossinis „Petite Messe solennelle“ in der Wiesbadener Ringkirche
So bescheiden diese „feierliche“ Messe mit Christiane Karg auftritt – sie braucht einen hervorragenden Chor. Der Lübecker Projektchor meistert die Aufgabe großartig.
Von Dietrich Stern
WIESBADEN – Christiane Karg, die Fokus-Künstlerin des diesjährigen Rheingau Musik Festivals, soll sich die Aufführung von Rossinis „Petite Messe solennelle“ zusammen mit Rolf Becks Internationaler Chorakademie Lübeck ausdrücklich gewünscht haben. Die etwas seltsame Begründung lautet: Rolf Beck hat von Anfang an immer „an mich geglaubt“. Der Status einer Fokus-Künstlerin kann also durchaus zu einer gewissen Selbstbezogenheit führen. Man hätte ja auch sagen können: Rolf Beck macht seit vielen Jahren eine unglaublich gute Chorarbeit.
So klein und bescheiden diese „feierliche“ Messe auftritt – sie braucht einen ganz hervorragenden Chor. Der junge internationale Lübecker Projektchor meistert die Aufgabe großartig. An der Gesangskunst Kargs gibt es nichts zu deuteln. Wie sie, ohne abzusetzen, die Melodiebögen aus der Tiefe in die Höhe spannt, fordert Bewunderung. In der Artikulation achtet sie auf größte Genauigkeit. Allerdings braucht die eigenartige Mischung von pathetischer Religiosität und ironischer Leichtigkeit in Rossinis Spätwerk noch mehr, nämlich eine eigenständige Haltung der Musiker zu dieser Musik.
Da bleibt Christiane Kargs Ausstrahlung künstlich und in ihrer Dominanz auch verschlossen. Mit Demut und Gefühl gibt die Mezzosopranistin Angela Brower ihrer Partie viel mehr Wärme. Siyabonga Maqungo (Tenor) und Gyula Orendt (Bass) schmettern ihre Arien voller Überzeugung, aber auch da fehlt das Quäntchen Humor und Abstand, das die Haltung der Sänger zu Rossini deutlich machen würde. Im „Cum sancto spiritu“ entlockt dagegen der Dirigent den Chorsängerinnen ein geradezu übermütiges Lächeln, das auch Rossini gefallen hätte. Zwei Klaviere und Harmonium (die „Orgel der Armen“) ergeben eine Begleitung, die von operettenhafter Unterhaltsamkeit bis zu donnernd mächtigem Klang und meditativer Versenkung alles bietet.
Ulrike Payer strahlt am ersten, dem führenden Klavier überlegene Ruhe aus. Ernst und Heiterkeit mischen sich fast unmerklich. Will man ihr Spiel als „sachlich“ bezeichnen, dann meint das tiefes Verständnis der Sache, belebt von feinem Humor. Maroš Klátik am zweiten Klavier ist für die Verstärkung des Klangs zuständig, schaut aber zu wenig zu den anderen Musikern, weshalb die schroffen Akzente der beiden Klaviere hin und wieder verrutschen. Zum Schluss bricht am Ausgang der Ringkirche ein unfassbares Regenschirm-Chaos aus, das kein Eulenspiegel besser hätte erfinden können. Manch begeistertem Zuhörer schwand die gute Laune. Rossini hätte daraus ein Klavierstück verfertigt und es mit diebischer Freude unter seine „Alterssünden“ eingereiht.